Nicht nur Insekten-Paradies

Christiane schreibt am 27. Juli

 

Es war überwältigend, liebe Svenja…

…und ich möchte unseren Lesern und Kunden an dieser Pracht teilhaben lassen. Denn viele kennen doch euren Garten, das ganze Verkaufsgelände und den Schaugarten noch zu gut. Wehmütig …ja richtig traurig beklagen sie euer Abtauchen ins Netz. Ich höre das immer wieder.

Und ich war unlängst bei euch … und ich habe Fotos gemacht… und ich lade alle ein, die Lust haben, durch diesen nun wirklich verwunschenen Garten zu gehen: ein Paradies… nicht nur für Insekten!

Nicht von dieser Welt

Beim Anblick dieses Bildes hätte ich keine Ahnung, wo ich hier bin! … und Du mit Sicherheit auch nicht!

Wir stehen hier am Anfang des großen Parkplatzes … hinten im Wald. Rainer erzählt, dass diese Königskerzenart bei ihnen schon immer irgendwo ein Plätzchen gefunden hätte… meist vorne auf dem Parkplatz. Aber nun hat sie die Gelegenheit bekommen sich auszubreiten. Und hier ist sie in ihrem Element: auf sandigem Boden und in voller Sonne.

Königskerzen
Königskerzen werden besonders morgens gern von Hummeln besucht.

Königskerzen

Die Kandelaber Königskerze, Verbascum olympicum, ist 2jährig und wird übermannshoch und sie geben hier jetzt den Ton an… schon sind überall im hohen Kraut Blattrosetten zu sehen: Jungpflanzen, Blühfreuden für das nächste Jahr. „Und es werden nächstes Jahr noch mehr werden, “ meint Rainer. “ Diese hier sterben ja nach der Blüte alle ab.“

Wir sind durch den Königskerzen-Wald durchgegangen, gucken auf die Weidenröschen und in die entgegengesetzte Richtung. Weidenröschen sind heimische Wildpflanzen, die wir oft am Waldrand antreffen. Sie sind stark ausläuferbildend, was mich aber nicht abhalten konnte, sie hier und dort in meinem Garten anzusiedeln. Ich liebe diese sog. Trümmerblume. ( Der Name stammt aus Nachkriegszeiten, wo sich flugs ganze Teppiche von Epilobium angustifolium über zerstörte Häuser, ja ganze Städte legten.) Und besonders mag ich ihren Samenstand, der lockig, flockig nach Pusteblumenart daherkommt.

Das Weidenröschen  ist ein Insektenmagnet, wie auch die Blütenpracht auf der Rosenkrone mit der weißen Ramblerrose ‚Kiftsgate‘.

Ramblerrose 'Kiftsgate'
Die Ramblerrose ‚Kiftsgate‘ will hoch hinaus.

Rainer ist noch verliebt: „Sie ist so entzückend… da, letzte Blüten kannst Du noch sehen.“   „Ja, an der Menge der vielen kleinen Hagebutten kann ich die Fülle und die Lieblichkeit erahnen. Ein Traum…“

Mössinger Sommer“ heißt die Wildblumensaat

Und erinnerst Du Dich an diese Beete… ja genau: sie waren schon immer für die Insektenwelt so eingerichtet. Jedes Jahr auf Neue werden sie mit Wildblumen besät. Nun haben sich auch hier Königskerzen breitgemacht. Das hätte man früher nicht geduldet!

Beete mit der Saatmischung Mössinger Sommer
Beete mit der Saatmischung Mössinger Sommer
Beete mit der Saatmischung Mössinger Sommer
… liegen als Inseln im Rasen.

Im Felsenbirnenwald mit Blick auf die Brücke

… und selbst die Pflanzen spielen mit. Es ist ein Ast der Lärche so in den Weg hineingewachsen als wollte er sagen : “ Sorry, der Platz gehört jetzt mir. Du musst dich schon bücken, wenn du hier durchwillst.“ Aber wir gehen einen anderen Weg, gehen geradeaus weiter.

Vor dem Teich im Großen Garten – die Taglilien stehen in voller Blüte.

 

Silphie – Kompasspflanze

Kannst Du hinten rechts unter der Lärche die Gunnera erkennen? Es ist die Pflanze mit den riesigen Blättern, die im Winter einen Schutz aus Stroh braucht. Wildhafte Pflanzungen mit Königskerzen und weißen Weidenröschen strahlen charmant in der Sonne dieses Nachmittags.

Die Gartenzimmer

Wir kommen wieder bei der Längsachse an und haben, wenn wir uns umdrehen,  den Blick frei auf die Brücke, diesmal von der anderen Seite. Die Hainbuchenhecken sind noch nicht geschnitten. Das macht den Anblick noch verwegener. Von hier kommen wir seitlich rechts und links in die verschiedenfarbig gestalteten Gartenzimmer hinein… Du erinnerst Dich…?

Frauenmantel säumt die Hecken am Weg…
Im Grünen Garten die unterschiedlichen Nuancen der Farbe GRÜN mit Rutenhirse, Kugelweiden und Frauenmantel.
Im Heißen Garten leuchtet die Montbretie ‚Lucifer‘ vor der Weidenblättigen Sonnenblume.

Die Verkaufsfläche mit den Pflanzentischen

Sie stehen dort wie einst – und sind üppig gefüllt mit blühenden Taglilien, Blutweiderich, Salbei, Echinacea….

Statt der Kunden haben auch hier Königskerzen und Flockenblumen einen Platz gefunden. Sie ziehen unglaublich viele Insekten an und es wimmelt auf der Verkaufsfläche wie eh und je.

Flockenblumen
In den Fugen zwischen den Platten haben sich Königskerzen und Flockenblumen ausgesät….

… nur dass die Pflanzen heutzutage verpackt und verschickt werden wie die Samen….

Aber ich weiß ja, dass die Kunden auch gerne Stauden, Zwiebeln und Co. bestellen und dann nach Verabredung bei Euch abholen können.

Flockenblumen
Üppige Vielfalt in den Beeten rund um die alte Verkaufsfläche.

Eine Frage sei gestattet, lieber Rainer, liebe Svenja:  Wie kommt Ihr Gärtner mit dieser Veränderung zurecht?

…ganz herzlich, Tine

Svenja dazu am 28. Juli

Liebe Tine,
vielen Dank für die schönen Bilder – ja, es ist verwunschen und wild und soo schön. Anders schön als früher, ganz bestimmt. Und wir kommen mal besser, mal schlechter damit zurecht.

Ich habe meinen Frieden mit der Situation gemacht, mir ist klar geworden, dass nicht alles bleibt, wie es war. Und dass wir wirklich richtig tolle Zeiten hatten, aber die Zeiten ändern sich und so wie es jetzt ist, ist es für uns alles richtig.

Die Bereiche für den Versand sind gut gefüllt und übersichtlich, ordentlich. Und weiter hinten darf passieren, was passieren soll. Das zu beobachten ist spannend und ich bin oft total beglückt, zu sehen, was sich alles so versamt hat.

Natürlich ist das Unkraut ein Problem, eines, mit dem man schlechter fertig wird, wenn nur wir beide und Monika hier sind. Natürlich bleibt manches auf der Strecke, wird überwuchert. Aber loszulassen ist auch manchmal angenehm und wir versuchen, einen Zustand zu halten, mit dem wir glücklich sind.

Und das gelingt meistens.

Ich genieße dieses Paradies hier jetzt ganz anders, und das ist auch schön. Und ich werde auch Rainer noch mal bitten, hier etwas dazu zu schreiben…

Erstmal schöne Grüße
Svenja

Rainer dazu am 29. Juli

Das Alter und jahrzehntelange harte körperliche Arbeit, aber auch der Mangel an geeigneten MitarbeiterInnen haben uns dazu gebracht, unsere Gärten „anders“ zu pflegen. Die ursprüngliche Pflege können wir so nicht mehr leisten.

Das wird aber wohl auch vielen Gartenbesitzern so gehen.
Was macht man dann?

Der Garten ist wilder geworden. Es kommt mir vor, als würden manche Pflanzen sagen: Oh, jetzt können wir mal machen, was wir schon lange wollten! Und dann legen sie los. Sie müssen nicht mehr herausgeputzt auf den Punkt in voller Blüte stehen, um bei den vielen Besuchern Eindruck zu machen. Nein, sie dürfen jetzt einfach mal ihre „Freiheit“ genießen.

Die Grundstrukturen sind ja schon fast 20 Jahre alt, so manche Staude begleitet uns schon über all die Jahre… manche sind weggegangen und haben Platz gemacht für neue Gartenbewohner … wie im richtigen Leben.

hecke-schneiden
Fleißige Gärtner beim Hecke-schneiden.

Heute hatten wir Hilfe beim Heckenschneiden.

Hecke schneiden
Aus der Hocke fotografiert: Es gibt jede Menge Meter Hecke zu schneiden….

Die ordentlich geschnittenen Hecken geben unseren Gärten Halt und Orientierung. Der Kontrast zwischen den formalen Hecken und der üppigen Staudenwildheit fasziniert uns immer wieder und zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg mit unseren Gärten sind.

Hecke schneiden
Frisch geschnittene Hecke vor Staudenwildheit….

Und in Zukunft wird uns zunehmend die Frage beschäftigen, wie sich unser Garten in Zeiten des Klimawandels verhalten wird…

Herzliche Grüße von
Rainer

frisch geschnitten
Die frisch geschnittenen Hecken geben einen schönen Hintergrund für die Beete ab.

Ist die Filzige Klette „gartenunwürdig“?

Christiane schreibt am 16. Juli

Es ist schon ein paar Tage her, liebe Svenja… ich machte einen spontanen Spaziergang. Es trieb mich raus, Beine vertreten… durch die Felder streifen… Gedanken laufen lassen…

Stoppelfeld

Und es funktionierte perfekt. Das frisch gedroschene,  wirklich goldgelbe Stoppelfeld gleich oben am Stifterberg, der Duft frischen Strohs tauchte mich sofort ins Kinderglück, bin ich doch als Kind dauernd auf dem Bauernhof nebenan gewesen. Hab noch die Ernte mit Garben und Hocken auf dem Feld miterlebt…

Ich gehe weiter in die Feldmark hinein und werde zunehmend von Trauer gepackt beim hautnahen Miterleben der Trockenheit. Bei mir im Garten gieße ich. Folglich blüht es und wuchert bei der andauernden Wärme. Hier geht der Bewuchs an den Feldrändern und im Feld in die Knie. Alles schlappt und verkümmert. Alles? An einem Rapsfeld sehe ich schon von weitem große, grüne Silhouetten stehen. Kletten! Sofort auch hier Kindheitsbilder. Wir haben ganze Skulpturen aus Kletten gebaut. Und natürlich damit geworfen… wir Mädchen mit den langen Haaren hatten natürlich die schlechteren Karten…

Filzige Klette

 

Die Filzige Klette ist eine elegante Schönheit

Was mir jetzt auffällt ist die Schönheit, besonders eben dieser Klettenart! Denn es ist die Filzige Klette, Arctium tomentosum, die hier vor mir steht. Mit ihrem silbergraugrünen Filzkleid ist sie bestens gegen die Trockenheit geschützt und hat eine kräftige Pfahlwurzel, die wohl noch an wasserführende Schichten herankommt. Spontan fällt mir ein, dass Klettenwurzelsud als Haarwuchsmittel gut sein soll… ist mir auf einmal sehr plausibel!

Blütenstand der Klette,

Und wie elegant das Violett der Blüten zum Graugrün der Pflanze aussieht. Sie ist richtig attraktiv! Und ist jetzt hier eine der wenigen Nahrungsquellen für Insekten. Auch das noch! Nicht nur, dass die Wildblumen in der Landschaft zurückgehen, nein – dieses Jahr vertrocknen sie auch noch.

Während meines weiteren Spazierganges spiele ich Gestaltungen mit der Klette durch. Kombiniere sie mit Rutenhirse und Lampenputzergras, kleinen und großen, gelben und weißen Königskerzen. Mit Ziest, Flocken- und Glockenblumen. Mit Lavendel, Witwenblumen und Knautien. Klar ist, dass die Gestaltung einen wildhaften Ansatz braucht. Und klar ist auch, dass man aufpassen muss, auf die Klette im Garten, denn sie versamt sich gerne. Aber das tun andere auch.

Weißt Du, was eine Pflanze zur Gartenwürde erhebt? Müssen wir im Angesicht der Klimaveränderung nicht zu noch weiter gefassten Ansätzen kommen, als der „New Germain Style“ es propagiert? Sind nicht alle Pflanzen gartenwürdig? Wahrscheinlich hat auch Cassian Schmidt die Klette schon beäugt… der sozusagen deutsche Vater dieser Präriegarten-Kultur…

Mit herzlichen Grüßen aus dem Gedankenkarusell von Tine

Svenjas Antwort am 29. Juli

Liebe Tine,

wir sind wieder da!  Waren ein paar Tage auf Amrum und es war – zu heiß!  Morgens am Strand ganz herrlich, aber über Tag, puh…….  und alles so verdorrt, oh manno.

Ich habe Deine mail über die Klette mit Interesse gelesen und mit Rainer darüber geredet, ja, sie ist wirklich schön.  Und eine der wenigen Wildpflanzen, die auch auf Amrum noch blühte.
Ich glaube, das Thema „Vermehrungsfreudigkeit“ hat doll was mit Gartenwürdigkeit zu tun.
Zum Beispiel das Schmalblättrige Weidenröschen, Epilobium angustifolium, das bezaubert im Hochsommer durch seine rosa Blütenkerzen so sehr.  Ich hab schon oft gedacht, warum man wohl immer mit den Prachtkerzen (Gaura) so rumhühnert, jeden Winter gehen sie hops, dabei sind die Weidenröschen so charmante Alternativen.  In weiß haben wir sie hinten im Garten, ganz wunderschön, die rosafarbenen werden wir dort auch ansiedeln.  Natürlich muss man aufpassen, sie bilden Ausläufer und versamen sich auch, aber das kann man im Griff haben, denke ich.

Weidenröschen

Wir hatten übrigens 5 mm Regen gestern, das ist eine halbe Gießkanne auf einen Quadratmeter verteilt, nix sozusagen, aber die Luft war nach dem Regen herrlich frisch und heute morgen auch noch…..

Liebe Tine, ich wünsche Dir einen guten Sonntag in Eurem schönen, luftigen Haus, schreibe Dir später noch mehr über Amrumer Gartenthemen….

liebe Grüße
Svenja